Der alte jüdische Friedhof in Deutz

Im Haus der Ewigkeit

Ende Oktober besuchten wir mit einer kleinen evangelisch-katholischen Gruppe den aufgelassenen, alten jüdischen Friedhof in Deutz. Die Führung wurde von einer Mitarbeiterin der Synagogengemeinde Köln gestaltet. Nach Betreten des umfriedeten, 18.000m² großen Geländes waren wir alle in eine geheimnisvolle, ja mystische Welt eingetaucht.

Ein erster Eindruck

Von der Gründung 1698 bis zur Schließung des Friedhofs 1941 wurden hier 6000 jüdische Menschen beerdigt. Im Judentum ist die Totenruhe verbindlich bis zum Kommen des Messias, Gräber bleiben und werden nicht aufgegeben. Nachdem man 1424 den Juden „für alle Zeiten“ verbot, in Köln zu leben und beerdigt zu werden, war die Gründung des Deutzer Friedhofs sehr wichtig für die Synagogengemeinden im Umland. Erst mit der französischen Besetzung des Rheinlandes 1794 wurden die Juden – wie übrigens auch die Protestanten – toleriert und durften wieder in Köln leben. Volle Bürgerrechte bekamen sie aber erst zwei Generationen später. 250 Jahre jüdischer und Kölner Zeitgeschichte an dem Friedhof ablesen zu können, war sehr spannend für uns.

Grabsteine lesen

Die ursprünglich obligate Ausrichtung der Grabsteine Richtung Jerusalem hatte im Laufe der Zeit an Bedeutung verloren, stehende Grabsteine mussten in preußischer Zeit wegen der militärischen Festung in der Nähe flachgelegt werden, um nicht die Sicht zu verstellen. Alte, stark verwitterte Kalksandsteine mit hebräischer Beschriftung und religiösen Bildern, später kamen dann zweisprachige Steine und deutschsprachige mit überwiegend profaner Beschriftung dazu.

Bei der Führung lernten wir anhand der Grabsteinreliefs einige Berufe sowie Charaktereigenschaften der Verstorbenen zu „lesen“, genauso wie uns einige berühmte Namen ansprachen.

Grabstein mit segnenden Händen

Auf manchen Gräbern waren segnende Hände abgebildet – ein Detail, das mich als Prädikant besonders interessierte. Ich lernte, dass in solchen Gräbern ein Kohen, ein sogenannter Hohepriester bestattet wurde. Diese Kohanim sind Nachkommen von Aaron, einem Bruder von Mose. Die abgebildeten Hände wurden beim Segnen mit gespreizten Fingern mit einem etwas weiteren Abstand zwischen Mittel- und Ringfingern gehalten. Diese offenen Hände beim Aaronitischen Segen zeigen, dass auch ein Kohen Gottes Segen nicht in der Hand halten kann, denn der Segen geht immer von Gott durch die Hände auf die Gemeinde über.

Der Deutzer Friedhof wirkt sehr verlassen, es fehlen die finanziellen Mittel, ihn angemessen zu pflegen. Die meisten Angehörigen der dort beigesetzten Menschen wurden in der Shoah ermordet, so ist niemand mehr da, sich um den Zustand des Friedhofs und der Steine zu kümmern. Man sagt in der jüdischen Tradition, solange die Erinnerung an einen Menschen lebt, lebt sein Name. Allerdings ist es nicht üblich, außerhalb der Trauerzeiten zum Friedhof zu gehen, auch werden die Gräber nicht mit Blumen geschmückt oder kleine Gärtchen dort angelegt wie es in der christlichen Tradition üblich ist.

Das Haus der Ewigkeit

Eine interessante Flora hat dieses „Haus des Lebens“ – so eine jüdische Bezeichnung für Friedhof – über die Jahre gestaltet. Es werden auch naturkundliche Führungen angeboten. Ein anderer jüdischer Begriff für „Friedhof“ ist „Haus der Ewigkeit“. Einen Hauch davon haben wir eindrücklich gespürt. Weitere Führungen werden angeboten und sind leicht im Internet zu finden. Meine Empfehlung!

Die Ausflugsgruppe – auch im Freien mit Maske

Ein Text von: Georg Kanonenberg
Fotos: Rüdiger Unger und Uta Walger

Weiterführende Links

Wikipedia
Informationen zur Führung
Synagogengemeinde Köln