Tag der seltenen Erkrankungen

Unser Leben mit FAOD – eine ganz besondere Situation

"#seltensindviele" – so das Motto des "Tags der Seltenen Erkrankungen". Jedes Jahr am 28.2. - und im Schaltjahr passenderweise am 29.2. - erinnert dieser Tag an die sogenannten Waisen der Medizin. Weltweit gibt es ungefähr 6.000 solcher Krankheiten, aber jeweils nur eine Handvoll Betroffener und daher wenig Forschung. Auch in unserer Gemeinde gibt es diese "Seltenen". Eine Familie gewährt im folgenden Blogbeitrag einen persönlichen Einblick in ihren Alltag mit einer seltenen Erkrankung.

Das Augenrollen

Da war es wieder, dieses Augenrollen. Ich hatte beim Bäcker gefragt, wie viel Fett das Rosinenbrötchen enthält. Hinter mir keine lange Kundenschlange, die mit den Hufen scharrt, und daher nahm ich an, dass mein Gegenüber Zeit für eine Antwort hat.  Dabei geht es mir gar nicht um eine Diät und den letzten Zentimeter zu viel an Taille und Bauch, sondern um eine geradezu lebensnotwendige Auskunft. Es geht um eine der Seltenen Erkrankungen, von denen es weltweit über 6.000 gibt und an denen - wie der Name schon sagt - sehr wenige erkrankt sind.

Als unsere Tochter geboren wurde, haben wir durch das Neugeborenen-Screening erfahren, dass sie eine genetische Besonderheit hat, die die Fettverarbeitung des Körpers stört. Es gibt davon mehrere, und gelistet wird das unter dem Begriff FAOD. Die Auswirkung ist, dass sie kein normales Fett in der Nahrung verwerten kann. Zur Abhilfe gibt es keine Medikamente, denn pro Jahr werden ungefähr sechs Babys mit dieser Besonderheit deutschlandweit geboren. Auch weltweit sieht die Quote nicht anders aus, weshalb es nur ein mäßiges Interesse der Pharmaindustrie gibt in dem Bereich zu forschen. Als Therapie steht uns daher nur eine ausgeklügelte und teils auch komplizierte Diät zur Verfügung. Konkret heißt das beispielsweise, dass unsere Tochter pro Tag nicht mehr als 20 g normales Fett - ca. ein Esslöffel voll - essen darf.

 

Der Tag der seltenen Erkrankungen

Jedes Jahr am 28. oder im Schaltjahr am 29. Februar ist der Tag der Seltenen Erkrankungen. Wie passend, denn auch ein Schaltjahr kommt selten vor. Weltweit finden viele Aktionen statt, bei denen auf die Belange der "Waisen der Medizin" hingewiesen wird. Denn so fühlt man sich doch manchmal, wenn es um Diagnostik und Therapie geht. Erst seit drei Jahren gibt es dann auch einen eigenen Selbsthilfeverein für FAOD-ler in Deutschland, der Fett-SOS e.V. heißt und im Internet und auch bei Facebook, Intagram und twitter zu finden ist.

Unsere Familie ist hier Gründungsmitglied, denn trotz all der Selbstzweifel und Mühe, die ein Austausch kostet, finde ich es nicht nur hilfreich, sondern sehr bereichernd. Bei den Familientreffen, die es mindestens einmal pro Jahr gibt, genießt unsere Tochter die Situation, einmal nicht "das Einhorn" zu sein, sondern Gleiche unter Gleichen. Der Verein schätzt, dass es deutschlandweit ungefähr 150 betroffene Familien gibt. Damit unsere Kinder besser mit ihrer Besonderheit zurechtkommen, haben wir zusammen mit der Charité in Berlin und Studentinnen der Kommunikationswissenschaft ein Aufklärungsbuch erarbeitet. Das Konzept steht, und die Broschüre soll nun in Druck gehen und dann über den Verein und die Stoffwechselambulanzen in Deutschland verteilt werden. Wer dieses Projekt unterstützen möchte, ist herzlich eingeladen zu spenden. Die Kontodaten finden Sie auf der Vereinsseite oben.

Manchmal leichter, manchmal schwer

Mit der besonderen Situation haben wir als Familie gelernt zu leben, es ist manchmal einfacher und manchmal - besonders in Situationen außerhalb des Alltags - schwerer. An sich funktioniert unser Alltag auch gut. Beispielsweise hilft die Lebensmittelkennzeichnung auf jeder verpackten Ware im Supermarkt. Unser Metzger Schuth in Bickendorf bereitet seit langer Zeit die Wurst entsprechend unserer Diät zu. Und wenn wir mal außerhalb essen, backt unsere Lieblingspizzeria Sicula in Ehrenfeld problemlos die Pizza unserer Tochter mit dem von uns mitgebrachten Käse und schneidet auf Wunsch beim Parmaschinken den Fettrand vor dem Belegen ab. Doch wie bei der Situation beim Bäcker wünsche ich mir manchmal mehr Offenheit und Verständnis von meinem Gegenüber. Nicht immer sind die Dinge so, wie man denkt, und auf Fragen z.B. nach Zutaten ist es sehr wichtig, eine wahrheitsgemäße Antwort zu bekommen. Ich warte dann auch sehr gern - wie schon vorgekommen- bis die Bedienung in Küche oder Backstube nachgefragt hat. Das kann dann auch schon mal bis zum nächsten Einkauf dauern. An sich doch eigentlich von beiden Seiten aus selbstverständlich, sollte man meinen.

Die Situation beim Bäcker löste sich dann auch so auf, dass ich nach kurzer Klärung der Situation eine Auskunft bekam. Leider enthalten Rosinenbrötchen über 10% Backmargarine. Zu viel für uns. Gefreut habe ich mich trotzdem, weil mir auch diese Auskunft weiterhilft in meiner Auswahl. Und ganz nebenbei hilft es auch dem Bäcker, der eine treue Kundin gewinnt.


Text und Foto: Simone Lehmann